Oradour-sur-Glane

Oradour-sur-Glane
Oradour-sur-Glane (Frankreich)
Oradour-sur-Glane (Frankreich)
Staat Frankreich
Region Nouvelle-Aquitaine
Département (Nr.) Haute-Vienne (87)
Arrondissement Rochechouart
Kanton Saint-Junien
Gemeindeverband Porte Océane du Limousin
Koordinaten 45° 56′ N, 1° 2′ O45.9319444444441.0316666666667Koordinaten: 45° 56′ N, 1° 2′ O
Höhe 227–312 m
Fläche 38,16 km²
Einwohner 2.500 (1. Januar 2021)
Bevölkerungsdichte 66 Einw./km²
Postleitzahl 87520
INSEE-Code 87110
Website oradour-sur-glane.fr

Lage des im Juni 1944 zerstörten Oradour-sur-Glane (dunkle Fläche) südöstlich des heutigen Ortes Oradour-sur-Glane. Das historische Oradour-sur-Glane ist heute ein Ruinendorf (in der Karte Cité Martyr genannt).

Oradour-sur-Glane (okzitanisch Orador de Glana) ist eine französische Gemeinde mit 2500 Einwohnern (Stand 1. Januar 2021) im Département Haute-Vienne, Region Nouvelle-Aquitaine. Sie liegt 200 Kilometer nordöstlich von Bordeaux und etwa 20 Kilometer nordwestlich von Limoges.

Der Name Oradour-sur-Glane bezieht sich je nach Kontext auf den zentralen Ort der Gemeinde oder auf das ganze Gemeindegebiet, zu dem auch zahlreiche Weiler gehören. Der Ortsname leitet sich vom lateinischen oratorium „Gebetsstätte“ ab. Am Ortsrand fließt die Glane.

Das zentrale Dorf Oradour-sur-Glane wurde im Juni 1944 beim Massaker von Oradour völlig zerstört und ist heute ein Ruinendorf, das im Französischen meist village martyr („Märtyrerdorf“) genannt wird. Das Ruinendorf liegt südöstlich neben dem heutigen Ort Oradour-sur-Glane, der ab 1947 neu gebaut wurde.

Ortschaften im Gemeindegebiet

Im Gebiet der Gemeinde Oradour-sur-Glane befinden sich neben dem gleichnamigen Hauptort mehr als 30 kleinere Siedlungen: la Basse-Forêt, Bellevue, les Bordes, les Brandes, le Breuil, Châlet-Saint-Vincent, le Champ-du-Bois, les Chapelles, Chez-Bonnaud, Chez-Lanie, Chez-Penot, la Croix-du-Bois-du-Loup, les Cros, Dieulidou, la Fauvette, les Grattes, Laplaud, Lespinas, la Maillerie, le Mas-du-Puy, Masset, le Masférat, Mazenty, Mongénie, Orbagnac, le Pacage-du-Milieu, le Petit-Chêne, le Pradeau, le Repaire, le Theil, Theneix, les Trois-Arbres, la Tuilière-des-Bordes, la Tuilière-des-Herses, la Valade, Valeix, Villa-André. Außerdem befinden sich einzelne Höfe im Gemeindegebiet.

Geschichte

Straßenbahn

Durch Oradour-sur-Glane führte die Linie 4 der Straßenbahnen im Département Haute-Vienne. In den Ruinen sind heute noch Relikte der Trasse wie die Oberleitungsmasten, Gleise und das Bahnhofsgebäude vorhanden.[1]

Aufnahme von Flüchtlingen des Spanischen Bürgerkriegs

Zu Beginn des Jahres 1939 strömten Zehntausende Flüchtlinge aus dem Spanischen Bürgerkrieg über die Pyrenäen in den Süden Frankreichs. Seitens der französischen Regierung waren hierfür offenbar keine Vorkehrungen getroffen worden, wie und wo die Flüchtenden untergebracht werden könnten. So entstanden improvisierte Lager, die anfangs aus nicht mehr bestanden als aus einem mit Stacheldraht umzäumten Gelände. Um die Situation in diesen Lagern zu entspannen, erfolgte dann die Verlegung der Spanienflüchtlinge in nördlichere Landesteile, und die Männer wurden verpflichtet, für den französischen Staat als Zwangsarbeiter tätig zu werden.

Das Vichy-Regime stellte die Spanier schließlich vor die Wahl, entweder in die Fremdenlegion oder in eine der Groupes de Travailleurs Étrangers (GTE, Fremdarbeitergruppen) einzutreten. Im Zuge dieser Entwicklung wurde auch die in Oradour stationierte GTE 643 gegründet. Im Mai 1941 hatte sie ein Stärke von 220 Mann, die bis 1944 etwa in Steinbrüchen, bei Forstarbeiten oder im Straßenbau eingesetzt wurden.[2]

Massaker und Zerstörung

Hauptartikel: Massaker von Oradour

Bekannt wurde Oradour vor allem durch das während des Zweiten Weltkriegs nach Partisanenangriffen am 10. Juni 1944 von der SS-Panzerdivision „Das Reich“ verübte Kriegsverbrechen, bei dem der Ort vollständig zerstört und fast alle seine Einwohner ermordet wurden.

1946 wurden die Ruinen von Oradour zum historischen Denkmal erklärt.

Das neue Oradour-sur-Glane

Blick auf das heutige Oradour-sur-Glane

Von 1947 bis 1953 wurde neben dem zerstörten Dorf der Ort neu aufgebaut.

Die Hinterbliebenen in Oradour lehnten jahrzehntelang jeden offiziellen Kontakt zu Deutschland ab.[3] Sie ignorierten staatliche französische Denkmäler lange Zeit oder ergänzten sie durch ein eigenes „Privat“-Denkmal.

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck besuchte am 4. September 2013 als erster deutscher Spitzenpolitiker die Gedenkstätte und hielt eine Rede. Hand in Hand mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande gedachten beide Präsidenten der Opfer der Gräueltaten der Waffen-SS.[4]

Bevölkerungsentwicklung

Jahr 1968 1975 1982 1990 1999 2006 2011
Einwohner 1671 1759 1941 1998 2025 2188 2325

Wirtschaft

Auf dem Gemeindegebiet gelten kontrollierte Herkunftsbezeichnungen (AOC) für Butter (Beurre Charentes-Poitou, Beurre des Charentes und Beurre des deux Sevres) sowie geschützte geographische Angaben (IGP) für Kalbfleisch (Veau du Limousin), Lammfleisch (Agneau du Limousin und Agneau du Poitou-Charentes), Schweinefleisch (Porc du Limousin), Schinken (Jambon de Bayonne) und Wein (Haute-Vienne blanc, rosé oder rouge).[5]

Sehenswürdigkeiten

Zufahrt zum Ruinendorf
Zerstörter Ort mit Überresten der Straßenbahn

Ruinendorf

Die Ruinen des zerstörten Dorfs wurden erhalten. Das Ruinendorf zieht jährlich rund 300.000 Besucher an.

Friedhof

Der Friedhof von Oradour-sur-Glane wurde bei dem Massaker nicht zerstört. Er liegt zwischen dem Ruinendorf und dem neuen Ort. Der Friedhof der kleinen Gemeinde zählt zu den meistbesuchten Friedhöfen in Frankreich. Er wird meist zum Abschluss der Besichtigungen des Ruinendorfs besucht.

Dokumentationszentrum

1999 wurde ein Gedenk- und Dokumentationszentrum eröffnet, das Centre de la mémoire.

Commons: Oradour-sur-Glane – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Bevölkerungsdaten und Informationen über die Gemeinde

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Voies métriques du Limousin .:. Gare d’Oradour sur Glane (CDHV). In: lemosin.net. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 31. Juli 2016; abgerufen am 12. November 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lemosin.net 
  2. Jean-Philippe Heurtin: Limousin. Histoire de l’immigration aux XIXe et XXe siècles, in: Hommes & migrations, 1278/2009, S. 154–165 (französisch; online).
  3. Gauck besucht das Dorf der SS-Schande. In: n-tv.de. Abgerufen am 4. September 2013. 
  4. Rheinische Post vom 5. September 2013, Seite A5: Gaucks Versöhnungsgeste in Oradour (ein Vor-Ort-Bericht von Sylvie Stephan).
  5. La ville d'Oradour-sur-Glane. In: Info-Mairie.com. Abgerufen am 13. März 2024 (französisch). 
Normdaten (Geografikum): GND: 4043693-7 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n82081205 | VIAF: 167672060